Kurz & knapp: Schmerzensgeld nach einem Unfall
Beim Schmerzensgeld handelt es sich um eine Form der Entschädigung, die bei erlittenen immateriellen Schäden (z. B. körperliche Verletzungen) in Anspruch genommen werden kann (demgegenüber besteht bei Sach- und Vermögensschäden ein Anspruch auf Schadenersatz).
Wurden Sie Opfer eines Unfalls, können Sie je nach Sachlage einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber der gegnerischen Versicherung geltend machen. Ob ein Schmerzensgeldanspruch überhaupt besteht, hängt auch davon ab, ob Sie nachweisen können, dass der Schadensfall ursächlich für die Schäden war.
Einzelnen Verletzungen werden keine festen Schmerzensgeldsätze zugeordnet. Stattdessen richtet sich die Schmerzensgeldhöhe nach den Umständen im Einzelfall (Art und Umfang der Schäden, Folgeschäden, Alter des Betroffenen u. v. m.).
Das höchste, in Deutschland je zugesprochene Schmerzensgeld lag bei 635.000 € (Prozess Kachelmann gegen BILD). Höhere Ansprüche erhielt die Familie eines Mädchens, dass nach einem Operationsfehler zum Pflegefall wurde (500.000 € Schmerzensgeld + 650.000 € Schmerzensgeldrente).
Schmerzensgeld: Wenn es nicht beim Blechschaden bleibt
Inhaltsverzeichnis
Ein Autounfall stellt immer eine schwere und belastende Situation für alle Beteiligten dar. Meist hat der Unfallverursacher das Verkehrsrecht missachtet. Es kam zum Blechschaden; vielleicht werden von den Behörden Punkte, Bußgelder oder sogar ein Fahrverbot verhängt.
Schlimmer als ein Bußgeldbescheid ist aber, wenn bei einem Unfall andere Personen verletzt werden. Für ein Unfallopfer und den Verursacher kann sich in wenigen Sekunden das gesamte Leben ändern. Verletzungen können langfristige Folgen haben. Es gibt Schuldgefühle, Vorwürfe und den Wunsch nach Wiedergutmachung.
Bleibt es nicht beim Blechschaden und Personen wurden verletzt, wird häufig ein Schmerzensgeld nach einem Unfall zur Wiedergutmachung verlangt. Rechtlich fußt dieser Sühnegedanke auf § 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dort heißt es:
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
Nach einem Autounfall heilt das Schmerzensgeld natürlich keine Wunden, Knochen wachsen nicht zusammen und ein psychisches Trauma wird nicht spontan überwunden. Schmerzensgeld hilft aber die Situation zu meistern und die Unfallfolgen abzumildern. Die Frage nach der Höhe des Schmerzensgelds lässt sich allerdings nicht pauschal beantworten. Jeder Unfall ist einzigartig, daher variieren die Beträge von Einzelfall zu Einzelfall. Eins ist jedoch sicher: Solch hohe Schmerzensgeldzahlungen, wie sie in den USA gezahlt werden, sind in Deutschland unrealistisch.
Übersicht zu Ratgebern zum Thema Schmerzensgeld:
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Wie viel Schmerzensgeld wird nach einem Autounfall gezahlt?
Es ist nicht einfach, die Höhe an Schmerzensgeld nach einem Autounfall zu beziffern. Stets ist der Einzelfall maßgebend. Pauschale und allgemeingültige Beträge wie im Bußgeldkatalog gibt es nicht. Das Schmerzensgeld hat eine ausgleichende Funktion und soll eine Art Genugtuung leisten. Im Gesetz wird von einer „billigen Entschädigung in Geld“ gesprochen. „Billig“ bedeutet allerdings in der juristischen Sprache nicht „günstig“, sondern den Umständen entsprechend. Der Schmerzensgeldanspruch und seine Höhe sind demnach von verschiedenen Faktoren abhängig.
Wird ein Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall gefordert, geht es in der Regel um einen angemessenen Ausgleich für immaterielle Schäden wie eine Verletzung oder ein psychologisches Trauma.
Was soll ausgeglichen werden?
- erlittene bzw. noch zu erleidende Schmerzen
- Ängste und Sorgen
- Beeinträchtigungen der Lebensfreude
Durch ein Schmerzensgeld können gesundheitliche Schäden nicht zwingend gelindert werden. Es kann auch keine vollständige Gerechtigkeit hergestellt werden, denn es ist äußerst schwer, einer Querschnittslähmung, einer Amputation oder einer Depression infolge eines Autounfalls einen Preis zu geben. Wie viel Schmerzensgeld gerecht ist, bleibt letztlich doch eine subjektive Meinung.
Schmerzensgeld und seine Ausgleichsfunktion
In Deutschland wird versucht, objektiven Kriterien den Vorrang bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung zu geben.
Folgende Faktoren sind für die Berechnung der Höhe an Schmerzensgeld nach einem Unfall maßgebend:
- Schmerzintensivität
- Eingriffsintensivität
- Folgeschäden
Das Schmerzensgeld ist abhängig von der Art der Verletzung, der Größe, Intensivität und Dauer der Schmerzeinwirkung. Einzubeziehen sind auch die Dauer und der Grad der Arbeitsunfähigkeit. Die Höhe wird ebenfalls beeinflusst von der Frage, ob Operationen notwendig und wie schwer diese Eingriffe sind. Die Dauer der stationären und ambulanten Behandlung und die voraussichtliche Leidenszeit spielen auch eine Rolle. Wenn es durch den Unfall zu Langzeitfolgen kommt, egal ob physischer oder psychischer Natur, müssen diese in der Berechnung des Schmerzensgeldes ebenfalls ihren Niederschlag finden.
Schmerzensgeld und seine Genugtuungsfunktion
Ein Unfallopfer erfährt bei einem verschuldeten Autounfall ein Unrecht an der eigenen körperlichen und seelischen Unversehrtheit. Neben der reinen Ausgleichsfunktion, welche hauptsächlich der Deckung des Mehraufwands der Behandlung und Pflege dient, hat das Schmerzensgeld daher auch eine Genugtuungsfunktion.
Folgende Kriterien werden berücksichtigt:
- Ausmaß des Verschuldens
- Regulierungsverzögerung bei der Schadenabwicklung
- Vermögensverhältnisse des Geschädigten und des Schädigers
Entscheidend bei der Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes ist, wie es zum Verkehrsunfall kam. Handelte der Verursacher vorsätzlich bzw. grob fahrlässig oder handelte es sich um einen geringfügigen Verkehrsverstoß? Kam es zu unnötigen Verzögerungen in der Schadensregulierung durch das Handeln vom Schädiger bzw. seiner Versicherung? Wurden diese bewusst oder mutwillig herbeigeführt, kann dies die Höhe des Schmerzensgelds zugunsten des Geschädigten beeinflussen; insbesondere dann, wenn beleidigend und herabwürdigend gehandelt wurde.
Teil der Berechnung sind auch die Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschädigtem. Grundsätzlich gilt, dass nach einem Unfall das Schmerzensgeld von der Haftpflichtversicherung des Schädigers gezahlt wird. Eine wirtschaftlich bessere Position des Schädigers führt in der Regel auch zu einem höheren Schmerzensgeld.
Übersicht zum Schmerzensgeld bei verschiedenen Unfallarten:
Wie wird ein Anspruch auf Schmerzensgeld bei einem Autounfall begründet?
Wurde eine Person bei einem Verkehrsunfall verletzt bzw. körperlich beeinträchtigt, muss der Schmerzensgeldanspruch nachgewiesen werden. Durch den Geschädigten muss bewiesen werden, dass er beim Unfall einen Schaden erlitten hat. In der Regel geschieht das durch ein Gutachten eines Sachverständigen. Haftpflichtversicherer versuchen natürlich, die Kosten für das eigene Unternehmen gering zu halten. So ist es ihr Recht, bei Zweifeln an der Glaubwürdigkeit ein Zweitgutachten zu verlangen.
Nach einem Auffahrunfall wird oft Schmerzensgeld für ein erlittenes Schleudertrauma gefordert. Versicherungen behaupten häufig, dass eine solche Verletzung infolge eines Auffahrunfalls unter einer gewissen Geschwindigkeit aus medizinischer Sicht ausgeschlossen ist. Häufig verlangen sie ein Gegengutachten, um entsprechende Kosten für das Schmerzensgeld zu vermeiden.
Es kann durchaus legitim sein, bei einem Schleudertrauma ein Schmerzensgeld zu verlangen, selbst wenn der Auffahrunfall bei sehr geringen Geschwindigkeiten erfolgte. So entschied beispielsweise das Landesgericht in Saarbrücken zugunsten eines Klägers, der nach einem Auffahrunfall bei sehr geringer Geschwindigkeit ein Schleudertrauma erlitten hatte. Er bekam ein Schmerzensgeld in Höhe von 511,29 Euro. Seine Verletzung musste er aber im Detail beweisen, denn der reine Hinweis, dass ein Schleudertrauma eine typische Verletzung bei einem Auffahrunfall sei, reichte nicht aus (LG Saarbrücken 2 S 159/02).
Wer ein Schmerzensgeld nach einem Unfall fordert, sollte dies nicht ohne Anwalt tun. Häufig sind die Verfahren langwierig und Streitigkeiten werden nicht selten auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen. Verschiedene Sachkundige wie Fachärzte oder Unfallforscher sollen Gutachten erstellen. Die Gutachter widersprechen sich. Weitere Gutachten werden gefordert. Der Prozess kann manchmal mehrere Jahre dauern. Insbesondere dann, wenn es um Langzeitfolgen geht und das Schmerzensgeld eine entsprechende Höhe erreichen würde.
Schmerzensgeldtabelle: Schleudertrauma und Co.
Übersicht zum Schmerzensgeld bei speziellen Verletzungen:
Landläufig gibt es den Irrglauben, dass es eine verbindliche Schmerzensgeldtabelle gibt. Das ist so nicht korrekt. Auf z. B. die Frage, wie viel Schmerzensgeld jemand bei einem Schleudertrauma erhält, kann keine Tabelle Antworten liefern. Es bleibt dabei: Der Einzelfall entscheidet.
Laut Gesetz geht es beim Schmerzensgeld um eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion, die eine „billige Entschädigung“ darstellt. Es muss also den individuellen Umständen entsprechen. Um dennoch eine gewisse Vergleichbarkeit gewährleisten zu können, ist es möglich bei der Bemessung des Schmerzensgelds andere ähnlich geartete Fälle zu Rate zu ziehen.
Zu diesem Zweck wurden Schmerzensgeldtabellen entwickelt, die im Grunde eine Sammlung verschiedener Gerichtsurteile zu Schmerzensgeldstreitigkeiten sind. Es gibt also nicht nur eine Schmerzensgeldtabelle. Für einen Autounfall und seine Folgen bieten diese eine Orientierung bei der Berechnung des Anspruchs auf Schmerzensgeld.
Die bekanntesten Schmerzensgeldtabellen sind:
- Beck’sche Schmerzensgeldtabelle
- ADAC-Schmerzensgeldtabelle
- Celler Schmerzensgeldtabelle
Im Grunde sind sich die einzelnen Tabellen ziemlich ähnlich, immerhin enthalten sie weitgehend dieselben veröffentlichten Gerichtsurteile. Dennoch gibt es Unterschiede. So umfassen die Tabellen auch unveröffentlichte Vergleiche und Gerichtsentscheidungen. Letztlich hat aber keine Schmerzensgeldtabelle einen Vorrang. Einige Gerichte haben sogar ihre eigenen Tabellen entwickelt, nach denen sie die Schadenshöhe bemessen.
Die Schmerzensgeldtabellen entlasten das Gericht, indem sie ihm eine Orientierungshilfe bieten. Die Bemessung der Höhe muss aber dennoch individuell gefällt werden. Letztlich ist auch entscheidend, was der Geschädigte fordert und wie glaubhaft er seine Situation darstellen kann. Es kann also nicht pauschal gesagt werden, welches Schmerzensgeld nach z. B. einem Auffahrunfall gezahlt wird.
Welche Summen sind realistisch?
Aus den Vereinigten Staaten werden immer wieder Urteile bekannt, in denen Unsummen an Schmerzensgeld gezahlt werden. In Deutschland sind Millionenbeträge eher unüblich. Die höchste bekannte Schmerzensgeldzahlung lag bei 700.000 Euro. Für ein Schleudertrauma werden üblicherweise 600 Euro gezahlt. Die Summe kann aber höher und geringer ausfallen.
Versicherungen sind dazu übergegangen, vermehrt Rechtsstreitigkeiten mit einem Vergleich zu beenden. Für sie sind angesichts der steigenden Schmerzensgeldhöhe richterliche Urteile schwer vorauszusehen.
Gibt es eine Verjährung von Schmerzensgeld?
Wenn Geschädigte nach einem Verkehrsunfall Schmerzensgeld beantragen möchten, sollten sie möglichst zeitnah alle Ansprüche bei der gegnerischen Versicherung anmelden und beziffern. Die Schadenregulierung kann oft sehr langwierig sein. Folgeschäden sind keine Seltenheit. Daher muss ein Geschädigter seine Ansprüche durch eine Erklärung des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung absichern, um einen Totalverlust zu vermeiden. Die Regelverjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB).
Im § 199 Abs. 1 und 2 BGB wird die Verjährung wie folgt beschrieben:
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- der Anspruch entstanden ist und
- der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Demnach haben Geschädigte drei Jahre Zeit, Schmerzensgeldforderung nach einem Unfall zu beantragen. Danach gelten ihre Ansprüche als verjährt. Ist der Schädiger nicht bekannt, weil er beispielsweise Unfallflucht begeht, verjährt der Anspruch erst nach dreißig Jahren.
Peter meint
6. Juni 2020 at 22:55
Liebes Team,
das höchste Schmerzensgeld hat Altkanzler Kohl erhalten.
1Mio € wegen Textpassagen in einem Buch, welche als Verletzung des Persönlichkeitsrechtes gesehen wurde.