Kurz & Knapp: Wichtiges zum Verschlechterungsverbot
Besteht ein Verschlechterungsverbot, darf sich eine Rechtsentscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen ändern, nachdem dieser sie angefochten hat. Dieses Verbot kann unter anderem im Verkehrsrecht Anwendung finden.
Im Verwaltungsrecht gilt nur dann ein Verschlechterungsverbot, wenn der Betroffene im Bußgeldbescheid nicht darauf hingewiesen wurde, dass seine Anfechtung der Rechtsentscheidung auch nachteilige Konsequenzen für ihn haben kann.
Unter Umständen kann das Fehlen dieses Hinweises dazu führen, dass der gesamte Bußgeldbescheid fehlerhaft ist.
Was ist die Reformatio in Peius?
Inhaltsverzeichnis
Sei es das Bußgeld für eine Verkehrsordnungswidrigkeit, eine amtliche Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde oder gar die Verurteilung aufgrund einer Straftat – rechtliche Entscheidungen können vielerlei Formen und Ausmaße annehmen und nicht immer sind die Betroffenen bereit, diese zu akzeptieren. Sie haben dann in der Regel die Möglichkeit, sich eines Rechtsbehelfs zu bedienen, um die behördliche oder gerichtliche Entscheidung anzufechten. Doch so manch einer scheut dieses Vorgehen aus Angst, dass nach einer erneuten Betrachtung der Sachlage eine für ihn noch ungünstigere Entscheidung getroffen wird und sich seine Situation somit noch belastender gestaltet.
Diese Befürchtung ist tatsächlich nicht ganz unbegründet, denn eine solche „Reformatio in Peius“ ist im deutschen Rechtswesen durchaus möglich. Dieser juristische Begriff ist lateinisch und bedeutet wörtlich übersetzt „Veränderung zum Schlechteren“. Eine Reformatio in Peius stellt also die Verschlechterung (auch „Verböserung“ genannt) einer Rechtsentscheidung für den Betroffenen dar. Es gibt jedoch Situationen, in denen eine solche grundsätzlich untersagt ist: Es besteht in diesen Fällen ein Verschlechterungsverbot. Wir verraten Ihnen, wann dieses eintritt, ob eine Verböserung im Bußgeldverfahren möglich ist und in welchen Rechtsgebieten kein Verschlechterungsverbot geltend gemacht werden kann.
Das Verschlechterungsverbot in verschiedenen Rechtsgebieten
Um zu klären, wann und wo das Verschlechterungsverbot Anwendung findet, müssen zunächst die verschiedenen Rechtsgebiete klar voneinander abgegrenzt werden. Im deutschen Rechtswesen wird zwischen zwei Hauptgebieten unterschieden, in die sich die diversen Bereiche einteilen:
- das Verwaltungsrecht, welches sich mit Verwaltungsverfahren und den Entscheidungen von Behörden befasst – und damit auch mit bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeiten z. B. im Verkehrsrecht –, und
- das Prozessrecht, welches gerichtliche Verfahren und Entscheidungen betrifft.
Verschlechterungsverbot im Verwaltungsrecht: Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
Im Verwaltungsrecht herrscht nur bedingt ein Verschlechterungsverbot und in der Regel ist hier eine Verböserung für den Betroffenen durchaus zulässig. Dies wollen wir an einem Beispiel erläutern.
Angenommen, Sie haben mit einem Pkw innerorts eine Geschwindigkeitsübertretung von 20 km/h begangen und erhalten daraufhin einen Bußgeldbescheid. Das Bußgeld für diesen Verstoß beträgt 35 Euro. Sie legen daraufhin Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, weil Sie vermuten, dass das Messgerät nicht korrekt funktioniert hat. Bei der Prüfung Ihres Einspruchs stellt die Bußgeldbehörde fest, dass dem tatsächlich so war – nur war die Messung nicht zu hoch angesetzt, sondern zu niedrig. Es stellt sich somit heraus, dass Sie nicht 20 km/h zu schnell unterwegs waren, sondern 22 km/h. Und plötzlich erhöht sich das Bußgeld auf 80 Euro und es droht obendrein ein Punkt in Flensburg. Die zuvor getroffene Entscheidung der Behörde verändert sich also zu Ihren Ungunsten. Es kommt zur Reformatio in Peius.
Wann gilt das Verschlechterungsverbot im Prozessrecht?
Das Prozessrecht lässt sich seinerseits in die Hauptkategorien Verwaltungsprozess-, Zivilprozess- und Strafprozessrecht unterteilen.
Das Verwaltungsprozessrecht befasst sich mit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts. Dieses tritt dann auf den Plan, wenn gegen das Handeln oder das Unterlassung einer Behörde, z. B. der Bußgeldbehörde, Klage erhoben wird. In diesem Fall besteht ein grundsätzliches Verschlechterungsverbot, das sich aus § 129 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ergibt:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts darf nur soweit geändert werden, als eine Änderung beantragt ist.
Das heißt, das Verwaltungsgericht ist an den Antrag des Klägers gebunden und kann diesem nur entweder stattgeben oder ihn ablehnen.
Bei einem Zivil- oder einem Strafprozess herrscht prinzipiell ebenfalls ein Verschlechterungsverbot, allerdings sehen die jeweiligen Prozessordnungen hier Ausnahmen vor:
- So ist im Zivilrecht eine Verböserung zulässig, wenn es sich um eine Anschlussberufung oder um eine Anschlussrevision handelt. Beide stellen eine Prozesssituationen dar, in denen eine Partei ein Rechtsmittel einlegt und die gegnerische Partei daraufhin ihrerseits einen Antrag stellt, die bisherige Entscheidung zu ihren Gunsten zu ändern. Es kann sich dann unter Umständen eine Reformatio in Peius für den ersten Antragsteller ergeben.
- Auf ähnliche Weise kann das Verschlechterungsverbot im Strafprozess aufgehoben werden: Wurde ein Urteil gesprochen und der Beschuldigte geht in Berufung bzw. Revision, darf keine Verböserung erfolgen, es sei denn, die Staatsanwaltschaft legt ebenfalls das entsprechende Rechtsmittel ein. Erscheint dieser das gesprochene Urteil zu milde, kann sie die Änderung der Entscheidung zuungunsten des Angeklagten fordern. In diesem Fall greift das Verschlechterungsverbot nicht und das Gericht kann frei entscheiden, ob es sein Urteil abmildert, verschärft oder bestehen lässt.
In letzterem Fall gilt allerdings: Spricht sich der Staatsanwalt zugunsten des Angeklagten aus und fordert eine Aufhebung oder Abmilderung des Urteils, besteht wieder das Verschlechterungsverbot und das Gericht darf keine Entscheidung treffen, die sich für den Betroffenen als nachteiliger erweist.
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